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Fall: Der Minigolfplatz auf fremdem Grundstück
V ist zu Unrecht im Grundbuch als Eigentümer eines Landgrundstücks in Wuppertal eingetragen. Wahrer Eigentümer des Grundstücks ist der E. V veräußert das Grundstück an den gutgläubigen D. Noch bevor der D als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird, erwirkt der E jedoch eine einstweilige Verfügung, aufgrund derer ein Widerspruch gegen die Eintragung des V ins Grundbuch aufgenommen wird. Dennoch kam es in der Folgezeit aufgrund eines Versehens des Grundbuchamtes zu einer Eintragung des D als Eigentümer des Grundstücks. In der Folgezeit ließ der D auf dem Grundstück einen Minigolfplatz errichten, was objektiv betrachtet zu einem Wertgewinn des Grundstücks geführt hat. Als der E durch Zufall auf die Bebauung aufmerksam wird, verlangt er von D die sofortige Richtigstellung des Grundbuchs. Der D verweigerte daraufhin jedoch die Berichtigungserklärung. Er ist der Ansicht, dass er gutgläubig Eigentum an dem Grundstück erworben habe. Zudem sei er zur Berichtigung nur bereit, wenn der V ihm die Herstellungskosten für den Minigolfplatz, die 30.000 € betragen, erstattet. E erwidert dagegen, der Minigolfplatz sei für ihn nutzlos, da er kein Minigolf spiele und eine solche Beschäftigung auch für infantil halte. Für ihn komme daher nur eine Beseitigung des Platzes in Frage. Hat der E gegen D einen Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung? |
Lösungsvorschlag |
E könnte gegen D einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB haben. |
I. Unrichtigkeit des Grundbuchs |
Erste Voraussetzung für den Grundbuchberichtigungsanspruch ist, dass das Grundbuch nicht im Einklang mit der wahren Rechtslage steht, vgl. § 894 BGB. Dies wäre dann der Fall, wenn der D zu Unrecht als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wäre. |
1. Eigentumserwerb des D über §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB |
V hat über das Grundstück des E als Nichtberechtigter verfügt, daher hat D nicht über §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1 BGB Eigentum an dem Grundstück erworben. |
2. Gutgläubiger Eigentumserwerb des D über §§ 873 Abs. 1, 925 Abs. 1, 892 BGB |
Möglicherweise hat der D jedoch gutgläubig das Eigentum an dem Grundstück des E erworben. Diesbezüglich ist allerdings festzuhalten, dass im insoweit maßgeblichen Moment der Vollendung des Rechtserwerbs ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs (vgl. § 899 BGB) eingetragen war. Daher hat der D auch nicht gutgläubig das Eigentum an dem Grundstück erworben. |
3. Gegenrechte des D |
Der Anspruch des E auf Berichtigung des Grundbuchs könnte allerdings gehemmt sein. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn dem D ein Zurückbehaltungsrecht zusteht, aufgrund dessen der D vorübergehend zur Verweigerung der Bewilligung zur Grundbuchberichtigung berechtigt wäre. |
a) Zurückbehaltungsrecht aus § 1000 S. 1 BGB i.V.m. §§ 994, 996 BGB analog |
Dem D könnte hier möglicherweise ein Zurückbehaltungsrecht aus § 1000 S. 1 BGB i.V.m. §§ 994, 996 BGB analog zustehen. |
Analoge Anwendbarkeit des § 1000 S. 1 BGB? |
Diesbezüglich muss jedoch zunächst geklärt werden, ob § 1000 S. 1 BGB auf den Berichtigungsanspruch aus § 894 BGB direkt oder analog angewendet werden kann. |
(1) Direkte Anwendung |
Eine direkte Anwendung des § 1000 BGB auf den Anspruch aus § 894 BGB scheidet allerdings aus, zumal § 1000 BGB nach seinem Wortlaut und seiner Systematik auf den Vindikationsanspruch aus § 985 BGB anzuwenden ist. |
(2) Analoge Anwendung |
Für eine analoge Anwendung des § 1000 BGB auf derartige Konstellationen müsste jedoch eine planwidrige Gesetzeslücke und eine vergleichbare Interessenlage gegeben sein. Hinsichtlich der planwidrigen Regelungslücke ist festzuhalten, dass das Gesetz für den Anspruch aus § 894 BGB keine eigenständige Regelung für etwaige Zurückbehaltungsrechte statuiert hat. Eine solche planwidrige Regelungslücke kann also angenommen werden. Zusätzlich müsste allerdings auch eine vergleichbare Interessenlage der beiden Konstellationen gegeben sein. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass es sich sowohl beim Herausgabeanspruch aus § 985 BGB als auch beim Anspruch auf Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB um dingliche Ansprüche handelt, die jeweils auf die Beseitigung einer bestehenden Beeinträchtigung gerichtet sind. § 985 BGB ist allerdings auf die unmittelbare Besitzverschaffung gerichtet, während § 984 BGB nur die Richtigstellung des Publizitätsträgers - d.h. des Grundbuchs - bezweckt. Folglich ist hier eine vergleichbare Interessenlage nicht gegeben und eine analoge Anwendung des § 1000 S. 1 BGB scheidet aus. |
b) Verwendungsersatzansprüche aus §§ 994 ff. BGB analog |
Dem D könnten gegen E jedoch Verwendungsersatzansprüche aus §§ 994 ff. BGB analog zustehen. |
(aa) Analoge Anwendung der §§ 994 ff. BGB auf § 894 BGB |
Zunächst müsste die analoge Anwendung der Verwendungsersatzansprüche auf den Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB möglich sein. Diesbezüglich ist festzustellen, dass die Stellung des Bucheigentümers bei einer wertenden Betrachtungsweise derjenigen des nichtberechtigten Besitzers entspricht. Wie der nichtberechtigte Besitzer agiert auch der Buchberechtigte im Rechtskreis des Eigentümers. Insbesondere hindert er ihn an der Verfügung über sein Eigentum. Daher ist neben einer planwidrigen Regelungslücke auch eine vergleichbare Interessenlage anzunehmen, weshalb die ganz h.M. auch von der Möglichkeit einer analogen Anwendung der §§ 994 ff. BGB auf § 894 BGB ausgeht. |
(bb) Verwendungen nach §§ 994 ff. BGB |
Bei dem von D errichteten Minigolfplatz müsste es sich zunächst um Verwendungen i.S.d. §§ 994 ff. BGB handeln. Unter den Verwendungsbegriff des § 994 BGB fallen jedenfalls alle willentlichen Vermögensaufwendungen des Besitzers, die der Sache zugute kommen sollen, indem sie sie wiederherstellen, erhalten oder verbessern. Umstritten ist allerdings, ob auch dann noch von einer Verwendung ausgegangen werden kann, wenn die Maßnahme zu einer grundlegenden Veränderung oder Umgestaltung der Sache führt. Eine solche grundlegende Veränderung liegt etwa dann vor, wenn wie im vorliegenden Fall auf einem bisher unbebauten Grundstück eine bauliche Anlage - etwa ein Minigolfplatz - errichtet wird. |
(1) Enger Verwendungsbegriff (BGH) |
Dem BGH folgend liegt eine Verwendung i.S.d. § 994 BGB nur dann vor, wenn die Sache als solche erhalten bleibt. Verwendungen seien daher nur solche Maßnahmen, die darauf abzielen, den Bestand der Sache als solchen zu erhalten oder wiederherzustellen bzw. den Zustand der Sache zu verbessern. Nach dieser Ansicht würde mangels Verwendung ein Zurückbehaltungsrecht des D ausscheiden. |
(2) Weiter Verwendungsbegriff (h.L.) |
Nach der herrschenden Lehre liegt dagegen auch dann eine Verwendung vor, wenn durch die Maßnahme die Sache verändert wird. Entscheidend sei diesbezüglich lediglich, dass die Maßnahme der Sache irgendwie zugute kommt. Danach könnte durch die Zusatzbebauung dem weiten Verwendungsbegriff folgend eine Verwendung vorliegen. |
(c) Streitentscheid |
Vorliegend kommen die dargestellten Ansichten zu unterschiedlichen Ergebnissen, daher ist ein Streitentscheid erforderlich. Für den weiten Verwendungsbegriff spricht, dass man im Falle einer zu engen Auslegung des Verwendungsbegriffs zu Extremlösungen gelangen würde. Sofern man in den §§ 994 ff. BGB eine abschließende, das Bereicherungsrecht verdrängende Sonderregelung erblicken würde, wäre der besitzende Verwender zumeist auf ein häufig wertloses Wegnahmerecht verwiesen. Würde man andererseits auf das Bereicherungsrecht verweisen, würden insoweit die differenzierten Haftungsregelungen der §§ 994 ff. BGB unterminiert. Daher ist im Ergebnis mit der h.L. von einer Verwendung i.S.d. §§ 994 ff. BGB auszugehen. |
(3) Nützliche Verwendung nach § 996 BGB analog |
Die Errichtung des Minigolfplatzes auf dem Grundstück des E kann jedenfalls nicht als notwendige Verwendung nach § 994 BGB qualifiziert werden. Daher kommt allenfalls ein Verwendungsersatzanspruch über § 996 BGB analog in Betracht. |
(a) Wertsteigerung durch die Errichtung des Minigolfplatzes |
Für einen Anspruch aus § 996 BGB müsste eine Wertsteigerung eingetreten sein. Diesbezüglich ist allerdings umstritten, nach welchen Kriterien eine solche Wertsteigerung zu beurteilen ist. |
(aa) Subjektive Wertsteigerung |
Nach einer Ansicht in der Literatur müsse die Wertsteigerung nach subjektiven Maßstäben beurteilt werden. Dafür wird angeführt, dass auch im Rahmen des § 996 BGB der Eigentümerschutz im Vordergrund stehe. Schließlich solle der Eigentümer nicht in die Situation geraten, für Eigentumsveränderungen zu zahlen, die ihm nichts nützen. Demzufolge müsste der D, der mit der Bebauung seines Grundstücks mit dem Minigolfplatz nichts anfangen kann, keinen Verwendungsersatz leisten. |
(bb) Objektive Wertsteigerung |
Der h.M. folgend müsse eine Wertsteigerung jedoch objektiv betrachtet werden. Maßgeblich seien nicht subjektive Kriterien des Eigentümers, sondern objektive Maßstäbe. Danach würde hier seine Wertsteigerung vorliegen, zumal das Grundstück durch die Bebauung mit dem Minigolfplatz an Wert gewonnen hat. |
(cc) Streitentscheid |
Für die h.M. lässt sich anführen, dass der Wortlaut des § 996 BGB keinen dahingehenden Hinweis enthält, dass die Wertsteigerung nach subjektiven Maßstäben zu beurteilen ist. Auch muss der Gesichtspunkt, dass nach der Vorschrift des § 993 Abs. 1 BGB a.E. der Besitzer weitgehend von Schadensersatzansprüchen freigestellt wird, berücksichtigt werden. Hat dementsprechend der Eigentümer die Zerstörung oder Verschlechterung der Sache ersatzlos hinzunehmen, erscheint es widersprüchlich, ihn bei objektiv wertsteigernden Aufwendungen besonders zu schützen. Zudem kann auch der Norm des § 994 Abs. 2 BGB entnommen werden, dass nur beim bösgläubigen Besitzer über die Anwendung der Geschäftsführung ohne Auftrag das Interesse bzw. der Wille des Eigentümers maßgeblich ist. Daher ist der h.M. zu folgen und eine objektive Wertsteigerung anzunehmen. |
(b) Weitere Voraussetzungen des § 996 BGB |
Zudem wurden die Aufwendungen vor Eintritt der Rechtshängigkeit und dem in § 990 BGB bestimmten Zeitpunkt getätigt. Die Wertsteigerung durch die Bebauung mit dem Minigolfplatz ist auch weiterhin noch vorhanden. |
Zwischenergebnis |
Somit steht dem D gegen E ein Anspruch auf Verwendungsersatz i.H.v. 30.000 € aus § 996 BGB analog und dementsprechend auch gem. § 1000 S.1 BGB analog ein Zurückbehaltungsrecht zu. |
Ergebnis: |
E hat gegen D zwar einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung gem. § 894 BGB. Dieser ist jedoch nur Zug um Zug (§§ 273, 274 BGB analog) gegen Zahlung der 30.000 € zu erfüllen. |
Anonymus 03.09.2023 04:33
Ziehspiel zur Sicherungsübereignung
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