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Pauline Drescher (12.11.2024 - 17:26): Wann verstößt eine Klausel gegen § 307 BGB?

Wenn eine Klausel weder gegen § 309 BGB noch gegen § 308 BGB verstößt (oder diese Regelungen wegen § 310 Abs. 1 S. 1 BGB keine Anwendung finden) müssen Sie § 307 BGB prüfen. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB enthält insoweit eine Generalklausel, welche § 307 Abs. 2 BGB durch zwei Zweifelsregelungen konkretisiert:

  • Im Rahmen von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist zu prüfen, ob die Klausel vom gesetzlichen Leitbild wesentlich abweicht.
  • Nach § 652 BGB erhält ein Makler seine Provision nur, wenn er erfolgreich einen Vertrag vermittelt. Sehen die AGB eines Maklers vor, dass er sein Honorar (etwa als Aufwendungsersatz) auch ohne Vermittlung eines Vertrages (pauschal) erhält, verstößt diese Vereinbarung gegen das Leitbild des § 652 BGB - sie kann also nur individualvertraglich getroffen werden.
  • Nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB hat der Vermieter die Mietsache während der Mietzeit in vertragsgemäßen Zustand zu erhalten. Diese Regelung hat ebenfalls Leitbildcharakter.
  • Bei § 307  Abs. 2 Nr. 2 BGB wird überprüft, ob die Klausel den Verwender von den "Kardinalpflichten" eines Vertrages befreit. Bedeutung hat dies vor allem dann, wenn es für das konkrete Geschäft kein gesetzliches Leitbild gibt.

Danach kann man etwa den Ausschluss einer Auslandsreise-Krankenversicherung für den Staat, dessen Angehöriger der Reisende ist, oder ein zeitlich unbegrenztes Kündigungsrecht bei einer Krankenhaustagegeldversicherung nicht per AGB vereinbaren.

Prüft man die Klausel anhand der Generalklausel in § 307 Abs. 1 S. 1 BGB, wird überprüft, ob die Klausel eine Vertragspartei entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Dies ist der Fall, wenn der Verwender keine Rücksicht auf schützenswerte Interessen des Vertragspartners nimmt. Insoweit ist die Regelung ähnlich wie § 242 BGB zu prüfen. Wie immer bei der AGB-Kontrolle kommt es auch hier nicht auf die konkrete Situation der Beteiligten an, sondern auf die hypothetische Situation eines Kunden bei kundenfeindlichster Auslegung der Klausel (objektiver Maßstab).

§ 307  Abs. 1 S. 2 BGB statuiert ein Transparenzgebot. Danach kann sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben, dass eine AGB-Klausel nicht klar und verständlich ist.

Soweit eine Klausel gegenüber einem Unternehmer verwendet wird, haben § 308 BGB und § 309 BGB Indizwirkung für die unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 S. 1 BGB

(12.11.2024 - 15:59): Welche Rechtsfolgen hat § 179 Abs. 1 BGB?

In der Klausur ist es ausgesprochen wichtig, dass Sie sauber unterscheiden zwischen

  • Erfüllung (der Vertreter ohne Vertretungsmacht muss sich so behandeln lassen, als sei er selbst Vertragspartner geworden - dazu auf der nächsten Seite) und
  • Schadensersatz (es wird nur eine Geldzahlung geleistet, durch welche die eingetretenen Vermögenseinbußen ersetzt werden, § 249 BGB, § 251 BGB). Umstritten ist dabei, welcher Schaden damit eigentlich gemeint ist.

Nach einer Ansicht ist das negative Interesse, also ein möglicherweise höherer Schaden, der durch das Vertrauen auf die Wirksamkeit entstanden ist (z.B. abgelehnte Alternativangebote) nicht nach § 179 Abs. 1 BGB ersatzfähig.

  • Man könne aus dem Nebeneinander von "Erfüllung" und "Schadensersatz" in § 179 Abs. 1 BGB folgern, dass ausschließlich der Vermögensverlust durch den Nichterhalt der Gegenleistung ausgeglichen werden soll (positives Interesse). Man spricht insoweit auch von Schadensersatz statt der Leistung bzw. Schadensersatz wegen Nichterfüllung.

Die Gegenansicht sieht einen Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens (negatives Interesse) vor.

  • Sie weist auf § 179 Abs. 2 BGB hin. Hier werde zum Schutz des gutgläubigen Vertreters ohne Vertretungsmacht der Anspruch auf das positive Interesse begrenzt. Im Umkehrschluss aus dieser Regelung wird angenommen, dass nach Absatz 1 erst recht das negative Interesse und zwar ohne Begrenzung auf das positive Interesse ersetzt wird.
  • Dies wird auch damit begründet, dass § 179 Abs. 1 BGB auch einen Strafcharakter hat und
  • der Geschäftspartner umfassenden Schutz verdient hat.
Pauline Drescher (05.11.2024 - 17:03): Was gilt für die Leistungs-/Einbeziehungsnähe?

Durch das Erfordernis der Leistungsnähe bzw. Einbeziehungsnähe sollen Personen ausgeschlossen werden, die nur gelegentlich oder zufällig mit der Leistung oder den Gefahren der Verhandlungssituation in Berührung kommen. Bei ihnen besteht nicht die gleiche Gefährdungslage wie für den Gläubiger.

  • Beim Einkaufen im Supermarkt kommen begleitende Kinder (aber auch Freunde, die beim Einkaufen beraten sollen) mit den Gefahren des Geschäfts genauso in Berührung wie ihre Eltern. Welche dieser Personen auf einem Salatblatt ausrutscht, ist rein vom Zufall abhängig - alle weisen die erforderliche Einbeziehungsnähe auf.
  • Wenn K bei V einen fehlerhaft konstruierten Gasherd erwirbt, der in der Küche des K explodiert und den von K beschäftigten Koch B verletzt, kann der Koch B unmittelbar von V nach den Regeln des Vertrags mit Schutzwirkung für Dritte Schadensersatz verlangen.
  • Bei der Miete einer Wohnung kommen die Kinder des Mieters genauso mit den Gefahren der Wohnung in Berührung wie derjenige, der den Vertrag unterzeichnet hat. Gäste, die nur einmalig zu Besuch sind, kommen zwar ebenfalls mit den Gefahren in Kontakt - ihr Risiko ist aber deutlich geringer, sodass bei ihnen die Leistungsnähe zu verneinen ist..
Pauline Drescher (05.11.2024 - 14:45): Welche weiteren wichtigen Leistungsverweigerungsrechte gibt es?

Neben der Verjährung und den Zurückbehaltungsrechten gibt es einige weitere Leistungsverweigerungsrechte, die Sie unter der Überschrift "Anspruch durchsetzbar" prüfen können. Allerdings haben diese nur geringe Klausurrelevanz und sollten wirklich nur dann angesprochen werden, wenn es dafür konkrete Anhaltspunkte gibt:

  • § 853 BGB schafft ein Verweigerungsrecht für den Fall, dass ein Anspruch nur durch eine unerlaubte Handlung gegen den Verletzten erlangt wurde (insb. durch Betrug). Grundsätzlich besteht in diesen Fällen ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB iVm § 249 Abs. 1 BGB auf Rückgängigmachung der Forderung - dieser kann jedoch schon verjährt sein (§ 214 BGB iVm § 195 BGB, § 199 BGB). § 853 BGB verhindert, dass der rechtswidrig erlangte Anspruch (der ggf. später verliert) durchgesetzt werden kann. Wenn der Schuldner aber trotzdem zahlt, kann er seine Leistung nicht mehr zurückfordern.
  • Sehr ähnlich ist die Einrede der Bereicherung (§ 821 BGB): Danach kann jemand, der ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingeht, die Leistung verweigern. Grundsätzlich kann man derartige Verbindlichkeiten nach § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB zurückfordern (d.h. deren Aufhebung verlangen) - Bedeutung erlangt das Leistungsverweigerungsrecht daher nur, wenn der Rückgewähranspruch verjährt ist. Zahlt der Schuldner, statt sich auf die Einrede zu berufen, kann er das Geleistete nicht zurückfordern.
  • Eng verwandt ist insoweit auch § 438 Abs. 4 S. 2 BGB, der die Verjährung von Gewährleistungsansprüchen betrifft: Auch wenn der Nacherfüllungsanspruch des Käufers (§ 434 Nr. 1 BGB iVm § 439 Abs. 1 BGB) verjährt und deshalb nach § 218 Abs. 1 BGB auch der Rücktritt (§ 434 Nr. 2 BGB iVm § 323 Abs. 1 BGB) ausgeschlossen ist, darf er (soweit er noch nicht gezahlt hat) die Kaufpreiszahlung verweigern. Auch hier gilt aber: Wer schon gezahlt hat, kann nichts mehr zurückverlangen.
  • Weitere Leistungsverweigerungsrechte folgen aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Diese schauen wir uns auf der nächsten Seite näher an.
  • Ebenso begründen § 770 BGB und § 771 BGB besondere Leistungsverweigerungsrechte für Bürgen; auch diese schauen wir uns auf der übernächsten Seite näher an.
  • Schließlich begründenndet § 128 Abs. 2 und Abs. 3 HGB besondere Leistungsverweigerungsrechte für die Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft (§ 105 HGB), einer Kommanditgesellschaft (§ 161 HGB) oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§ 705 BGB). Diese Leistungsverweigerungsrechte sind jedoch klassischerweise Stoff des Gesellschaftsrechts.