VI. Was gilt für die Gegenleistungspflicht (§ 326 BGB)?
5. Was gilt bei beiderseits zu vertretender Unmöglichkeit?
Nach § 326 Abs. 1 BGB geht die Gegenleistungspflicht unabhängig davon unter, wer den Untergang der Leistungspflicht zu vertreten hatte. § 326 Abs. 2 S. 1, 1. Var. BGB macht nur eine Ausnahme für alleiniges oder weit überwiegendes Verschulden des Gläubigers. Nach Eintritt des Annahmeverzugs bleibt die Gegenleistungspflicht hingegen bestehen, soweit den Schuldner nicht Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit treffen (§ 326 Abs. 2 S. 1, 2. Var. BGB iVm § 300 Abs. 1 BGB). Was aber für eine Quotelung im Übrigen gilt, lässt das Gesetz offen. Hieran knüpft ein Meinungsstreit an, den Sie unbedingt kennen sollten:
Möglich erscheint zunächst eine analoge Anwendung von § 326 Abs. 2 BGB. Dann bleibt auch bei (geringfügiger) Verantwortlichkeit des Gläubigers der vollständige Gegenleistungsanspruch des Schuldners bestehen. Allerdings hat der Gläubiger einen Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner aus § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB iVm § 283 BGB, der nur um seinen Anteil nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen ist. Durch Anwendung der Differenzmethode gelangt man automatisch zu einem gekürzten Anspruch.
Eine andere Möglichkeit besteht in einer teleologischen Reduktion des § 326 Abs. 1 BGB. Man könnte hier den Vertrag in zwei gedachte Teile aufgliedern, von denen der eine allein durch den Gläubiger unerfüllbar gemacht wurde (mit der Folge, dass die Gegenleistungspflicht insoweit vollumfänglich nach § 326 Abs. 2 S. 1, 1. Var. BGB bestehen bleibt), die Leistungspflicht des anderen hingegen vom Zufall oder vom Schuldner zum Untergang gebracht wurde (mit der Folge, dass die Gegenleistungspflicht insoweit vollumfänglich nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB entfällt). Im Ergebnis hat der Schuldner also gegen den Gläubiger einen analog § 254 Abs. 1 BGB anteilig herabgesetzten Gegenleistungsanspruch. Der Schadensersatzanspruch des Gläubigers aus § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB iVm § 283 BGB wird ebenfalls um seinen Verschuldensanteil nach § 254 Abs. 1 BGB gekürzt. Auch hier ist eine automatische Verrechnung nach der Differenzmethode möglich.
Eine dritte Ansicht will das Problem nicht durch eine Korrektur des § 326 BGB lösen und belässt es bei dessen Rechtsfolge. Der Gläubiger erhält einen Schadensersatzanspruch gegen den Schuldner aus § 280 Abs. 1, Abs. 3 BGB iVm § 283 BGB, der um seinen Verantwortungsanteil nach § 254 Abs. 1 BGB zu kürzen ist. Aber auch dem Schuldner wird ein Schadensersatzanspruch gewährt: Dieser folgt aus der Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht (§ 280 Abs. 1 BGB iVm § 241 Abs. 2 BGB), der aber seinerseits um den Anteil des Schuldners zu mindern ist. Auch hier ist eine Aufrechnung (§ 389 BGB) möglich.