VI. Was gilt für die Ge­gen­leis­tungs­pflicht (§ 326 BGB)?

1. Was gilt für qua­li­ta­tive Un­mög­lich­keit (§ 326 Abs. 1 S. 2 BGB)?

§ 275 Abs. 1 BGB gilt für alle Leis­tungs­pflich­ten und da­mit auch für die Pf­licht zur Nach­lie­fe­rung oder Nach­bes­se­rung bei ei­nem Sach- oder Rechts­man­gel (§ 437 Nr. 1 BGB iVm § 439 BGB, § 634 Nr. 1 BGB iVm § 635 BGB). Bei ei­nem ir­re­pa­ra­blen Sach­man­gel ei­ner nicht sub­sti­tu­ier­ba­ren Stück­schuld ist da­her der An­spruch auf Nach­er­fül­lung aus­ge­schlos­sen.

Ver­kauft Pri­vat­mann V sei­nen al­ten PKW als un­fall­frei und stellt sich her­aus, dass die­ser einen schwe­ren Un­fall­scha­den hat, kann er ihn nicht durch Re­pa­ra­tur un­fall­frei ma­chen. Er kann aber auch kein Er­satz­fahr­zeug lie­fern, weil er nur ein Fahr­zeug hat. Beide For­men der Nach­er­fül­lung (§ 437 Nr. 1 BGB iVm § 439 BGB) sind ihm also ob­jek­tiv un­mög­lich (§ 275 Abs. 1 BGB).

Würde man § 326 Abs. 1 S. 1 BGB un­be­se­hen auf diese Kon­stel­la­tion an­wen­den, gäbe es aber ein über­ra­schen­des Er­geb­nis: Un­ab­hän­gig vom Wil­len des Käu­fers bzw. Werk­be­stel­lers wäre die Ge­gen­leis­tung au­to­ma­tisch zu min­dern (§ 326 Abs. 1 S. 1 a.E. BGB). Im Kauf- und Werk­ver­trags­recht ist die Min­de­rung je­doch ein Ge­stal­tungs­recht und be­darf ei­ner ein­sei­ti­gen emp­fangs­be­dürf­ti­gen Wil­lens­er­klä­rung ("durch Er­klä­rung", vgl. § 638 Abs. 1 BGB, § 439 Abs. 1 BGB).

Die­sen ver­meint­li­chen Wi­der­spruch zwi­schen all­ge­mei­nem und be­son­de­rem Schuld­recht kor­ri­giert § 326 Abs. 1 S. 2 BGB: Da­nach be­ein­flusst eine nicht be­heb­bare Schlecht­leis­tung (an­ders als die teil­weise oder voll­stän­dige Un­mög­lich­keit) die Ge­gen­leis­tungs­pflicht nicht. Viel­mehr muss der Gläu­bi­ger in die­sen Fäl­len ein Ge­stal­tungs­recht (näm­lich den Rück­tritt nach § 326 Abs. 5 BGB iVm § 346 BGB) aus­üben. Um die Gel­tung der Aus­nah­men des § 326 Abs. 2 BGB auch für die Schlecht­leis­tung zu ge­währ­leis­ten, schließt § 323 Abs. 6 BGB für diese Fälle den Rück­tritt aus.

Un­klar ist, was gilt, wenn das je­wei­lige Ge­währ­leis­tungs­recht (etwa im Dienst­ver­trags­recht) keine Min­de­rungs­mög­lich­keit vor­sieht. Zu­läs­sig ist dann in je­dem Fall ein Rück­tritt vom ge­sam­ten Ver­trag nach § 326 Abs. 5 BGB iVm § 323 Abs. 1 BGB, wenn der Man­gel er­heb­lich ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Zu­dem kann Scha­denser­satz nach §§ 280 ff. BGB ver­langt wer­den, so­weit der Man­gel vom Schuld­ner zu ver­tre­ten ist. Ein Teil der Li­te­ra­tur ge­währt aber dar­über hin­aus eine Mög­lich­keit zum "Teil­rück­tritt" mit den Fol­gen ei­ner Min­de­rung ana­log § 441 BGB.
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