II. Was ist Un­zu­mut­bar­keit (§ 275 Abs. 2 BGB)?

2. Was be­deu­tet "gro­bes Miss­ver­hält­nis"?

Ein gro­bes Miss­ver­hält­nis liegt erst vor, wenn kein ver­nünf­ti­ger Mensch in der Po­si­tion des Gläu­bi­gers auch nur daran den­ken wür­de, den er­for­der­li­chen Auf­wand zu trei­ben, um in den Ge­nuss der Leis­tung zu ge­lan­gen.

Preis­s­tei­ge­run­gen bei Mas­sen­gü­tern fal­len nie un­ter § 275 Abs. 2 S. 1 BGB, da ein über die ver­ein­bar­te, von ihm zu er­brin­gende Ge­gen­leis­tung hin­aus­ge­hen­des Leis­tungs­in­ter­esse des Gläu­bi­gers zu­min­dest in Höhe des Markt­prei­ses zu be­ja­hen ist. Wenn der Markt­preis steigt, wächst da­her auch das Leis­tungs­in­ter­esse des Gläu­bi­gers.

Es ist also ein stren­ger Maß­stab an­zu­le­gen. Dazu gibt das Ge­setz drei Ori­en­tie­rungs­punk­te:

  • Zu­nächst ver­langt das Ge­setz die Be­ach­tung des In­halts des Schuld­ver­hält­nis­ses. Da­mit ist ge­meint, dass ins­be­son­dere bei Ver­trägen der Schuld­ner selbst da­für Sorge tra­gen muss, die Ge­gen­leis­tung an­hand sei­ner er­for­der­li­chen Auf­wen­dun­gen zu­tref­fend zu be­stim­men. Feh­l­ein­schät­zun­gen, die nicht auf un­vor­her­seh­ba­ren Ent­wick­lun­gen be­ru­hen, ge­hen zu sei­nen Las­ten.
  • Die wei­ter­hin er­for­der­li­che Berück­sich­ti­gung der Ge­bote von Treu und Glau­ben be­zieht sich vor al­lem auf das zu er­war­tende Ver­hal­ten der Par­tei­en: Wenn der Gläu­bi­ger das Leis­tungs­hin­der­nis ver­ur­sacht hat, wird im Zwei­fel ein gro­bes Miss­ver­hält­nis eher na­he­lie­gen, ebenso wenn die­ser von vorn­her­ein den ho­hen Auf­wand kannte und den gut­gläu­bigen Schuld­ner arg­lis­tig dar­über im Un­kla­ren ließ.
  • Aus­drück­lich ver­langt § 275 Abs. 2 S. 2 BGB, dass man be­rück­sich­ti­gen muss, ob der Schuld­ner das Leis­tungs­hin­der­nis zu ver­tre­ten hat. Maß­stab ist auch hier zu­nächst nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB die Par­tei­ver­ein­ba­rung: Wer eine Ga­ran­tie oder ein Be­schaf­fungs­ri­siko über­nom­men hat, der muss einen grö­ße­ren Auf­wand be­trei­ben, als je­mand, der nur eine ein­fa­che Pf­licht ein­ge­gan­gen ist. Erst Recht muss je­mand, der vor­sätz­lich oder fahr­läs­sig im Sinne von § 276 Abs. 2 BGB ein Hin­der­nis für seine ei­ge­nen Leis­tungs­pflich­ten her­bei­führt (etwa die be­reits ver­kaufte Sa­che be­schä­digt oder ver­lier­t), spä­ter einen hö­he­ren Auf­wand in Kauf neh­men, um die­ses Ri­siko zu über­win­den (also die Sa­che zu re­pa­rie­ren oder wie­der­zu­fin­den). Schließ­lich ist dem Schuld­ner auch vor­zu­wer­fen, wenn er eine Ge­le­gen­heit zur Leis­tung hat ver­strei­chen las­sen und spä­ter Hin­der­nisse ein­tre­ten (arg. § 287 BGB). Wer also an­ge­sichts ho­her Ein­kaufs­preise zu­nächst von ei­ner Be­schaf­fung ab­sieht, um bes­sere Preise ab­zu­war­ten, kann sich nicht spä­ter da­mit ver­tei­di­gen, dass die Preise noch wei­ter ge­stie­gen sind.
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