6. Ka­pi­tel: Wo­durch er­lö­schen Pf­lich­ten aus Schuld­ver­hält­nissen?

H. Was ist eine "Hin­ter­le­gung" (§ 372 BGB)?

In ei­ni­gen Fäl­len kann der Schuld­ner seine Leis­tungs­pflicht nicht er­fül­len, weil der Gläu­bi­ger die An­nahme der Leis­tung ver­wei­gert (An­nahmever­zug, § 293 BGB), die Er­fül­lung we­gen Grün­den in der Per­son des Gläu­bi­gers nicht mög­lich ist (etwa weil die­ser ver­schol­len ist oder ge­schäfts­un­fä­hig wur­de, aber noch kei­nen Be­treuer hat) oder un­klar ist, wer über­haupt Gläu­bi­ger ist (§ 372 S. 2 BGB). Für diese Fälle sieht das BGB die Mög­lich­keit der Hin­ter­le­gung (§ 372 BGB) vor.

Voraus­set­zung ist, dass die Un­ge­wiss­heit nicht auf Fahr­läs­sig­keit des Schuld­ners be­ruht (§ 372 S. 2 a.E. BGB). Das be­deu­tet, dass es keine Mög­lich­keit ge­ben darf, durch An­wen­dung der im Ver­kehr er­for­der­li­chen Sorg­falt (§ 276 Abs. 2 BGB) Ge­wiss­heit zu er­lan­gen. Prak­tisch re­le­vant sind etwa un­klare Erb­folge oder eine Ab­tre­tung, de­ren Wirk­sam­keit frag­lich ist. Die Hin­ter­le­gungs­mög­lich­keit wird da­bei nicht durch Schuld­nerschutz­vor­schrif­ten wie § 407 BGB oder § 370 BGB aus­ge­schlos­sen, weil der Schuld­ner da­durch zwar ge­schützt, aber nicht zur Leis­tung an den Schein­be­rech­tig­ten ge­zwun­gen wer­den soll. Die Gläu­bi­ger kön­nen dann un­ter­ein­an­der über die Her­aus­gabe strei­ten (sog. "Prä­ten­den­ten­streit") - siehe auch § 75 ZPO.

Eine Hin­ter­le­gung er­folgt, in­dem Geld, Wert­pa­pie­re, Ur­kun­den oder Kost­bar­kei­ten nach dem je­wei­li­gen Lan­des­recht (in NRW etwa nach dem Hin­ter­le­gungs­ge­setz NRW; in Bay­ern nach dem Baye­ri­schen Hin­ter­le­gungs­ge­setz) bei den Amts­ge­rich­ten ab­ge­ge­ben wer­den, die sie nach öf­fent­lich-recht­li­chen Vor­schrif­ten ver­wah­ren (§ 372 BGB).

  • Wenn die Rück­nahme durch den Hin­ter­le­ger aus­ge­schlos­sen ist, er­lischt im Zeit­punkt der Hin­ter­le­gung der An­spruch ge­gen den Hin­ter­le­ger (§ 378 BGB). Dies ist aber nur aus­nahms­weise der Fall, ins­be­son­dere wenn der Hin­ter­le­ger auf das Recht zur Rück­nahme ver­zich­tet (§ 376 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
  • Ohne einen der­ar­ti­gen Ver­zicht hat der Schuld­ner aber ein Leis­tungs­ver­wei­ge­rungs­recht (§ 379 Abs. 1 BGB) und darf den Gläu­bi­ger auf die hin­ter­legte Sa­che ver­wei­sen. Er muss keine Zin­sen zah­len und steht auch für schuld­haft nicht ge­zo­gene Nut­zungen nicht ein; zu­dem muss bei Ver­lust der hin­ter­leg­ten Sa­che der Gläu­bi­ger trotz­dem seine Ge­gen­leis­tung er­brin­gen (§ 379 Abs. 2 BGB).
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