6. Ka­pi­tel: Wo­durch er­lö­schen Pf­lich­ten aus Schuld­ver­hält­nissen?

A. Was be­deu­tet "Er­fül­lung" (§ 362 BGB)?

Nach § 362 Abs. 1 BGB er­lischt das Schuld­ver­hält­nis, wenn die ge­schul­dete Leis­tung an den Gläu­bi­ger be­wirkt wird. Das Ge­setz ist in­so­weit et­was un­ge­nau for­mu­liert: Ei­ner­seits kann ein Schuld­ver­hält­nis meh­rere (so­gar be­lie­big vie­le) Leis­tungs­pflich­ten ent­hal­ten - jede die­ser Pf­lich­ten er­lischt, wenn sie ord­nungs­ge­mäß er­füllt ist. An­de­rer­seits ist da­mit aber nicht ge­sagt, dass das Schuld­ver­hält­nis als sol­ches un­ter­geht: Ins­be­son­dere bleibt auch nach der Er­fül­lung al­ler Leis­tungs­pflich­ten (§ 241 Abs. 1 BGB) die Ver­pflich­tung zur Rück­sicht­nahme (§ 241 Abs. 2 BGB) be­ste­hen (sog. "culpa post con­trac­tum fi­ni­tum"). Dies äu­ßert sich etwa in nach­ver­trag­li­chen Über­wa­chungs- und Auf­klä­rungs­pflich­ten (z.B. bei spä­ter ent­deck­ten Pro­dukt­män­geln).

Zieht ein An­walt mit sei­ner Kanz­lei (o­der ein sons­ti­ger An­ge­hö­ri­ger freier Be­rufe bzw. Ge­wer­be­trei­ben­der) um, kann des­sen Ver­mie­ter ver­pflich­tet sein, vor­über­ge­hend ein de­zen­tes Hin­weis­schild mit der neuen An­schrift der Kanz­lei zu dul­den, auch wenn der Miet­ver­trag (§ 535 BGB) be­en­det wur­de. An­dern­falls dro­hen hohe Um­satzein­bu­ßen, wenn dem ehe­ma­li­gen Mie­ter (po­ten­zi­el­le) Ver­tragspart­ner ver­lus­tig ge­hen.

Nach all­ge­mei­nen Grund­sät­zen müs­sen alle Un­ter­gang­stat­be­stän­de, also ins­be­son­dere auch die Er­fül­lung durch den Schuld­ner be­wie­sen wer­den. Wenn in der Klau­sur un­klar ist, ob die Leis­tung er­bracht wur­de, müs­sen Sie dies da­her im Zwei­fel ver­nei­nen.

Die Leis­tung muss wie ge­schul­det er­bracht wer­den, d.h. zur rich­ti­gen Zeit, am rich­ti­gen Ort und im rich­ti­gen Um­fang. Für den Kauf­ver­trag stellt § 433 Abs. 1 S. 2 BGB noch ein­mal aus­drück­lich klar, dass es er­for­der­lich ist, dass die Sa­che frei von Sach- und Rechts­män­geln ist. Das ist ei­gent­lich selbst­ver­ständ­lich - ge­schul­det ist si­cher­lich keine feh­ler­hafte Sa­che.

Nach § 363 BGB be­wirkt die An­nahme ei­ner Leis­tung als Er­fül­lung eine Be­weis­la­stum­kehr für die Voll­stän­dig­keit und Man­gel­frei­heit der Leis­tung. Auch dies müs­sen Sie in der Klau­sur be­ach­ten - frei­lich gilt im Ver­brauchs­gü­ter­kauf eine ge­wisse Aus­nahme in § 477 BGB.

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