I. Was setzt der äußere (objektive) Tatbestand einer Willenserklärung voraus?
2. Wann genügt Schweigen als Willenserklärung?
Das Unterlassen einer Äußerung stellt grundsätzlich kein Verhalten dar, welches als konkludente Willenserklärung ausgelegt werden könnte. Es bedeutet also weder eine Zustimmung ("Ja") noch eine Ablehnung ("Nein"). Etwas anderes gilt nur, soweit eine konkrete Handlungspflicht bestand.
- Die Handlungspflicht kann natürlich im Rahmen der Vertragsautonomie vereinbart werden. Wer sich vorher zum Tätigwerden verpflichtet, ist selbst verantwortlich, wenn er eine erforderliche Handlung unterlässt.
- In Bezug auf Genehmigungserfordernisse sieht das Gesetz an verschiedenen Stellen (insbesondere in § 108 Abs. 2 S. 2 BGB für die Genehmigung der Eltern bezüglich Geschäften eines Minderjährigen oder in § 177 Abs. 2 S. 2 BGB für die Genehmigung eines Geschäfts eines Vertreters ohne Vertretungsmacht, ähnlich § 415 Abs. 2 S. 2 BGB für die Schuldübernahme) vor, dass die Nichtäußerung bis zum Ablauf einer festen Frist als Ablehnung gilt.
- Umgekehrt wird nach § 516 Abs. 2 S. 2 BGB das Schweigen auf ein Schenkungsversprechen als dessen Annahme ausgelegt. Dahinter steht die Vermutung, dass diese vorteilhaften Geschäfte im Zweifel vom Begünstigten akzeptiert werden, auch wenn er nichts sagt.
- Einen anderen Ansatz hat wiederum § 362 Abs. 1 HGB, wonach das Schweigen eines Kaufmanns auf einen Antrag innerhalb einer bestehenden Geschäftsbeziehung als Zustimmung gilt. Nach § 362 Abs. 1 S. 2 HGB soll das gleiche gelten, wenn er sich gegenüber dem konkreten Antragenden öffentlich zur Besorgung von Geschäften bereiterklärt hat (also eine invitatio ad offerendum abgegeben hat). Dies gilt aber nur für Geschäftsbesorgungen und damit insbesondere nicht für Kaufverträge.
- Eine Äußerungspflicht wird schließlich im Einzelfall aus "Treu und Glauben" (§ 242 BGB) angenommen. Dies ist etwa der Fall, wenn eine Annahme leicht verspätet eingeht und deshalb als neuer Antrag gilt (§ 150 Abs. 1 BGB) - hier muss der Empfänger der Annahme reagieren oder sich so behandeln lassen, als sei die Annahme rechtzeitig eingegangen (siehe Kapitel 1).
- Ein Irrtum über die Bedeutung des Schweigens ist weder ein Erklärungs- noch ein Inhaltsirrtum und berechtigt daher nicht zur Anfechtung. Umstritten ist aber, was bei Irrtümern über den Inhalt des Geschäfts gilt. Damit werden wir uns näher in Kapitel 4 befassen.
- Von besonderer Klausurrelevanz (vor allem in höheren Semestern) ist schließlich das so genannte "kaufmännische Bestätigungsschreiben", das wir uns gleich näher ansehen.
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