C. Was bedeutet Auslegung?
I. Was unterscheidet erläuternde und ergänzende Auslegung?
Sie müssen in der Klausur sauber zwischen der erläuternden und der ergänzenden Vertragsauslegung unterscheiden:
- Ziel der erläuternden Auslegung (§ 157 BGB) ist es, den übereinstimmenden Willen der Parteien zu ermitteln.
K und V schließen einen Kaufvertrag über eine Schiffsladung "Haakjöringsköd". Sie denken, es würde sich dabei um Walfleisch handeln. In Wirklichkeit bezeichnet der norwegische Ausdruck "håkjerringkjøtt" aber Haifischfleisch. Trotz des falschen Ausdrucks wird der Vertrag so ausgelegt, als hätte man das deutsche Wort "Walfischfleisch" verwendet; die falsche Bezeichnung schadet nicht (falsa demonstratio non nocet).
- Die ergänzende Auslegung geht hingegen über die Erklärungen hinaus und vervollständigt ein lückenhaftes Rechtsgeschäft. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Eine besondere Regelung für unerwartete spätere Änderungen ist die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB).
Beim Bau eines Hauses verpflichtet sich der Bauherr durch Vertrag mit seinem Nachbarn, keine Fenster auf der Mauer zum Nachbargrundstück anzubringen. Später baut er Glasbausteine in die Wand ein. Daran hatte bei Vertragsschluss niemand gedacht.