II. Unter welchen Umständen ist eine Anfechtung möglich?
3. Wann prüfen Sie einen Anspruch aus § 122 BGB?
Wenn jemand eine Willenserklärung wegen Irrtums nach § 119 Abs. 1 BGB anficht oder diese wegen eines nicht erkannten Scherzes nach § 118 BGB nichtig ist, wird das Vertrauen des Anfechtungsgegners in den Bestand der Erklärung enttäuscht. Der Geschäftspartner kann durch die Nichtigkeit einer Willenserklärung, auf die er vertraute, Schäden erleiden.
So kann der Verkäufer schon Maßnahmen für den Versand der Ware getroffen oder die Herstellung eines bestimmten Kaufgegenstandes in Auftrag gegeben haben; der Käufer mag schon ein Reiseticket für die Abholung gebucht haben oder bereits Vorkehrungen für die Lagerung getroffen haben.
Nach § 122 Abs. 1 BGB haftet derjenige, der einem Irrtum unterliegt, unabhängig davon, ob er den Irrtum im Sinne von §§ 276 ff. BGB zu vertreten hat - d.h. er muss die Verluste auch ersetzen, wenn er seinen Irrtum gar nicht erkennen konnte (verschuldensunabhängig Haftung).
Allerdings wird nur berechtigtes Vertrauen des Dritten geschützt: Wenn der Geschädigte den Grund der Nichtigkeit (nach § 118 BGB) oder der Anfechtbarkeit (nach §§ 119 f. BGB) kannte oder kennen musste, ist die Schadensersatzpflicht ausgeschlossen (§ 122 Abs. 2 BGB). § 122 Abs. 2 BGB geht als Spezialregelung der flexiblen Regelung des § 254 Abs. 1 BGB vor, wonach der Verlust bei Mitverschulden nach den Verschuldensanteilen geteilt wird - im Rahmen von § 122 Abs. 1 BGB greift stattdessen ein "Alles-oder-nichts-Prinzip".
I. Grundvoraussetzung
- Wirksame Anfechtung nach § 119 BGB oder § 120 BGB - Ein Anspruch aus § 122 Abs. 1 BGB kommt nicht bei einer Anfechtung gem. § 123 BGB in Betracht!
- Nichtigkeit der Erklärung gem. § 118 BGB
II. Kein Ausschluss der Schadensersatzpflicht nach § 122 Abs. 2 BGB
- § 122 Abs. 2, 1. Var. BGB: positive Kenntnis der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit
- § 122 Abs. 2, 2. Var. BGB: fahrlässige Unkenntnis der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit
III. Rechtsfolgen
1. (Verschuldensunabhängiger) Ersatz des Vertrauensschadens (= negatives Interesse): Dies ist der Schaden, der infolge des Vertrauens auf die Gültigkeit der Erklärung entstanden ist. Das bedeutet, der Geschädigte ist so zu stellen, als sei die irrige Erklärung niemals abgegeben worden.
2. Begrenzung des negativen Interesses durch das positive Interesse: Der Geschädigte darf nicht besser stehen als bei Wirksamkeit der Willenserklärung.
Auch kommt ein Anspruch aus § 122 Abs. 1 BGB bei Anfechtung einer Vollmacht gegen den Vollmachtgeber in Betracht. § 122 Abs. 1 BGB lässt sich nämlich ein verallgemeinerungsfähiger Gedanke entnehmen, dass man für einen "Mangel der eigenen Sphäre" einstehen muss. Genaueres können Sie ausführlich im Kapitel zur Stellvertretung erfahren.