a. Was ver­steht man un­ter "ob­li­ga­to­ri­scher Ge­fahr­ent­las­tung"?

Fall­bei­spiel - Dritt­scha­dens­li­qui­da­tion

Selbst­kon­trol­l­auf­ga­be: Bau­herr B lässt von Dach­de­cker D sein Dach re­no­vie­ren. Au­ßer­dem be­auf­tragte er Hand­wer­ker H, sei­nen Dach­bo­den aus­zu­bau­en. Auf­grund ei­nes von H ver­schul­de­ten Feu­ers brennt das Haus des B ab. Zu die­sem Zeit­punkt wa­ren die Ar­bei­ten des D im Wert von 15.000 € be­reits fer­tig­ge­stellt. Da B aber im Ur­laub war, hatte er das Werk des D noch nicht ab­ge­nom­men (§ 640 BGB). D ver­langt Zah­lung sei­nes Wer­k­lohns, egal von wem. Hat D einen An­spruch?

Ant­wort (bitte ankli­cken)

A. D könnte ge­gen B einen An­spruch auf Zah­lung des Wer­k­lohns iHv. 15.000 € aus § 631 Abs. 1 BGB ha­ben.

I. Ein wirk­sa­mer Werk­ver­trag iSd. § 631 BGB ist ge­ge­ben.

II. Je­doch ist die Er­brin­gung der Leis­tung für D nun­mehr (man­gels ei­nes Hau­ses) un­mög­lich ge­wor­den (§ 275 Abs. 1 BGB). Da­mit ent­fällt die Ge­gen­leis­tungs­pflicht des D (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB).

Die be­reits ab­ge­schlos­se­nen Ar­bei­ten kön­nen B man­gels Ge­fah­ren­über­gangs (§ 644 BGB) nicht an­ge­rech­net wer­den, denn die da­für not­wen­dige Ab­nahme (§ 640 BGB) ist noch nicht er­folgt.

Da­her war der An­spruch noch nicht fäl­lig, so­dass ein An­spruch des D aus § 631 Abs. 1 BGB aus­schei­det.

B. D könnte ge­gen B einen An­spruch auf Zah­lung iHv. 15.000 € aus § 632a Abs. 1 BGB ha­ben.

I. Mit Ab­schluss der Ar­bei­ten hat D seine Leis­tun­gen ver­trags­ge­mäß iSd. § 632a I 1 BGB er­bracht. In die­sem Zeit­punkt lag auch ein Wert­zu­wachs bei B vor, so­dass der An­spruch grund­sätz­lich be­steht.

II. Al­ler­dings ist die­ser Wert­zu­wachs durch den Brand wie­der zu­nichte ge­macht wor­den.

Die Er­brin­gung des Wer­kes ist ab die­sem Zeit­punkt nach § 275 Abs. 1 BGB un­mög­lich (da es kein Haus mehr gibt, an dem B seine Ar­bei­ten vor­neh­men könn­te). Gem. § 644 Abs. 1 BGB trägt D die Ge­fahr des Un­ter­gangs der Leis­tung bis zur Ab­nah­me.

Da­her ist der An­spruch des D aus § 632a BGB er­lo­schen.

C. Zwi­schen D und H be­ste­hen kei­ner­lei schuld­recht­li­che Ver­bin­dun­gen, so­dass An­sprü­che aus §§ 280 ff. BGB aus­schei­den.

D. Ein An­spruch des D ge­gen H aus § 823 Abs. 1 BGB schei­det aus, da schon eine Ei­gen­tums­ver­let­zung als ein­zig in Be­tracht zu zie­hende Rechts­guts­ver­let­zung zu ver­nei­nen ist.

Durch den Ein­bau hat D das Ei­gen­tum an sei­nen Ma­te­ria­lien gem. § 946 BGB, § 93 BGB, § 94 BGB an B ver­lo­ren.

E. D könnte aber einen An­spruch aus § 280 Abs. 1 BGB iVm. den Grund­sät­zen des Ver­tra­ges mit Schut­z­wir­kung zu­guns­ten Dritter we­gen ei­ner Pf­licht­ver­let­zung des Werk­ver­tra­ges zwi­schen B und H ha­ben.

I. Es ist all­ge­mein an­er­kannt, dass Dritte in den Schutz­be­reich ei­nes Schuld­ver­hält­nisses ein­be­zo­gen wer­den kön­nen. Als Rechts­grund­lage wer­den ver­schie­dene Lö­sun­gen vor­ge­schlagen. In Be­tracht kom­men § 328 BGB, er­gän­zende Ver­trags­aus­le­gung, rich­ter­li­che Rechts­fort­bil­dung und § 311 Abs. 3 S. 1 BGB. Hier­für müss­ten ku­mu­la­tiv fol­gende Voraus­set­zun­gen er­füllt sein:

  1. Leis­tungs­nähe - Der Dritte müsste be­stim­mungs­ge­mäß den Ge­fah­ren des Schuld­ver­hält­nisses ebenso aus­ge­lie­fert sein wie der Gläu­bi­ger.
  2. Schut­z­in­ter­esse des Gläu­bi­gers - Der Gläu­bi­ger müsste ein be­rech­tig­tes In­ter­esse am Schutz des Dritten ha­ben. Dies nimmt der BGH zu­nächst nur dann an, wenn der Gläu­bi­ger für das „Wohl und Wehe“ des Dritten mit­ver­ant­wort­lich ist.
  3. Er­kenn­bar­keit für den Schuld­ner - Leis­tungs­nähe und Schut­z­in­ter­esse des Gläu­bi­gers müss­ten bei Ver­trags­ab­schluss für den Schuld­ner er­kenn­bar sein, da­mit die­ser sein Ri­siko ab­schät­zen kann.
  4. Schutz­be­dürf­tig­keit des Dritten - Der Dritte darf selbst kei­nen ver­trag­li­chen An­spruch des­sel­ben In­halts ha­ben.

II. Hier ist be­reits die Leis­tungs­nähe zwei­fel­haft. Je­den­falls schei­tert der An­spruch an der Gläu­bi­gernä­he. We­der ist ein sog. per­so­nen­recht­li­cher Ein­schlag ge­ge­ben, noch ein ge­stei­ger­ter Wille zur Be­grün­dung ei­ner Rück­sicht­nah­me­pflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) ge­gen­über D zu er­ken­nen.

F. Je­doch könnte D ge­gen B einen An­spruch auf Ab­tre­tung sei­ner ge­gen H zu­ste­hen­den An­sprü­che aus ei­ner ana­lo­gen An­wen­dung von § 285 BGB ha­ben.

I. Nach § 285 BGB müsste der Schuld­ner von ei­ner Pf­licht we­gen Un­mög­lich­keit be­freit wor­den sein. Hier ist die Leis­tungs­pflicht des B ge­gen­über D nach § 326 Abs. 1 S. 1 BGB un­ter­ge­gan­gen (siehe oben). Diese Kon­stel­la­tion ist mit § 285 BGB ver­gleich­bar.

II. Wei­ter­hin müsste B einen An­spruch ge­gen H er­langt ha­ben. In Be­tracht kommt § 823 Abs.1 BGB.

1. Es wurde ein Rechts­gut des B (des­sen neu ge­deck­tes Dach) ver­letzt.

2. Dies be­ruhte auf ei­ner Hand­lung des H.

3. Dies ge­schah auch rechts­wid­rig und schuld­haft.

4. Schließ­lich müsste B ein Scha­den ent­stan­den sein.

Für die Wer­k­leis­tung des D musste B je­doch nicht be­zah­len. Er hat nach wie vor kein ge­deck­tes Dach. B hat kei­nen Scha­den.

Je­doch könnte er auch den Ver­lust des D in Form des ent­gelt­lo­sen Dach­de­ckens gel­tend ma­chen, wenn die Voraus­set­zun­gen der Dritt­scha­dens­li­qui­da­tion vor­lie­gen:

a. D müsste einen Scha­den, aber kei­nen An­spruch ha­ben. Der Scha­den des D liegt im Dach­de­cken, ohne einen Wer­k­lohn ver­lan­gen zu kön­nen. So­wohl ver­trag­li­che also auch de­lik­ti­sche An­sprü­che des D ge­gen ir­gend­je­man­den schei­den aus (siehe oben).

b. B müsste einen An­spruch, aber kei­nen Scha­den ha­ben. B hat hier ge­gen H An­sprü­che aus § 280 Abs. 1 BGB we­gen Pf­licht­ver­let­zung aus dem Werk­ver­trag, aus § 823 Abs. 1 BGB (siehe oben) und § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 306d StGB. Hin­weis: Das müs­sen Sie in ei­ner Klau­sur ggf. aus­führ­lich in­zi­dent oder vor­her fest­stel­len! B hat aber hin­sicht­lich des Da­ches kei­nen Scha­den, da er dem D we­gen § 644 Abs. 1 S. 1 BGB keine Ver­gü­tung schul­det.

c. Die Scha­densver­lage­rung müsste zufäl­lig sein. Dies ist zu be­ja­hen, wenn ein Fall der ob­li­ga­to­ri­schen Ge­fah­ren­ent­las­tung ge­ge­ben ist. Nach § 644 Abs. 1 S.1 BGB trägt der Wer­kun­ter­neh­mer bis zur Ab­nahme des Wer­kes (§ 640 Abs. 1 BGB) die Ge­fahr, bei zufäl­ligem Un­ter­gang der Sa­che kei­nen Wer­k­lohn zu er­hal­ten.

Da­her kann B den Scha­den des D wie einen ei­ge­nen ge­gen H gel­tend ma­chen. Er hat also einen An­spruch ge­gen D.

III. D hat einen An­spruch auf Ab­tre­tung des Scha­denser­satz­an­spruchs des B ge­gen H in Be­zug auf die ihm ent­stan­de­nen Ver­lus­te.

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