II. Wonach bestimmt sich die Zurechnung der Schäden?
3. Welche Bedeutung hat der Schutzzweck der Norm?
Hintergrund der Lehre vom Schutzzweck der Norm ist, dass jede gesetzliche oder vertragliche Bestimmung bestimmte typische Gefahren verhindern soll. Es ist also zu fragen, vor welchen Gefahren die jeweilige Regelung (die Vertragspflicht, die verletzte Verhaltenspflicht) eigentlich schützen soll.
Ein Schaden ist nicht vom Schutzzweck der Norm umfasst, wenn sich ausschließlich das allgemeine Lebensrisiko und nicht eine gerade durch die verletzte Norm zu verhindernde Gefahr im Schaden realisiert hat.
Autofahrer A fährt mit stark überhöhter Geschwindigkeit auf der Landstraße. Anschließend fährt er in der nächsten Ortschaft mit vorgeschriebener Geschwindigkeit und überfährt dort den plötzlich auf die Fahrbahn tretenden Fußgänger F.
Wäre A zuvor mit erlaubter Geschwindigkeit gefahren, wäre er später in der Ortschaft angekommen und hätte den F nicht überfahren. Die überhöhte Geschwindigkeit auf der Landstraße ist daher äquivalent und adäquat kausal für das Anfahren. Der Zweck der § 3 Abs. 3 StVO iVm. § 49 Abs. 1 Nr. 3 StVO ist aber nicht, zu verhindern, dass Fahrer schneller in der nächsten Ortschaft ankommen. Der Schaden ist damit nicht vom Schutzzweck der Norm erfasst.
In der Praxis besteht eine erhebliche Nähe zur Adäquanztheorie. Die beiden Kriterien schließen sich jedoch nicht aus und sind auch nicht deckungsgleich. In Klausuren lässt sich ein Problem daher oftmals mit guten Gründen sowohl unter Adäquanzgesichtspunkten, aber auch als Problem des Schutzzwecks der verletzten Sorgfaltsnorm diskutieren.
Die wichtigste Fallgruppe eines Verhaltens, welches außerhalb des Schutzzwecks der verletzten Norm liegt, ist das rechtmäßige Alternativverhalten: Der Schaden wäre auch eingetreten, wenn sich der Schädiger recht- und pflichtgemäß verhalten hätte. Hier lässt sich allerdings regelmäßig bereits die Kausalität anzweifeln.
Autofahrer A fährt mit 55 km/h statt der zulässigen 50 km/h durch eine Ortschaft. Der Betrunkene B taumelt plötzlich und unvorhersehbar vor das Fahrzeug und wird schwer verletzt. Wäre A nicht zu schnell gefahren, wäre er zum entsprechenden Zeitpunkt nicht an betreffender Stelle gewesen. Auch liegt es beim Fahren mit überhöhter Geschwindigkeit nicht außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit, Menschen zu erfassen. Auch bei Einhalten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hätte A aber nicht mehr rechtzeitig bremsen können und die Verletzungen des B wären gleich schwer gewesen.