I. Wann liegt Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) vor?
3. Was sind "Zweckerreichung" und "Zweckfortfall"?
Für die Unmöglichkeit ist nicht die Leistungshandlung, sondern der Leistungserfolg maßgeblich. Daher kann tatsächliche Unmöglichkeit eintreten, weil der geschuldete Erfolg bereits aus anderen Gründen eingetreten ist (sog. "Zweckerreichung"). Die mögliche Leistungshandlung des Schuldners wäre dann schlicht sinnlos und darf von ihm nicht mehr erbracht werden. Ohne Bedeutung ist, wodurch der Leistungserfolg eingetreten ist - ob durch ein Verhalten des Gläubigers, eine Handlung eines Dritten oder gar durch Zufall.
Der Notarzt wird gerufen, weil ein Kind eine Erbse durch die Nase aufgesaugt hat. Bevor der Notarzt eintrifft, niest das Kind die Erbse wieder aus.
Unmöglichkeit kann zudem eintreten, wenn es aus tatsächlichen Gründen ausgeschlossen ist, dass der mit dem Leistungserfolg verfolgte Zweck noch eintreten kann ("Zweckfortfall").
Ein zu reparierender PKW explodiert, bevor er in die Werkstatt geliefert werden kann. Der zu behandelnde Patient stirbt, bevor der Arzt eintrifft.
Bei Zweckfortfall und Zweckerreichung sind allerdings im Vertrauen auf die Leistungspflicht bereits erbrachte Vorleistungen des Schuldners zu ersetzen. Es wäre unbillig, ihm diese Kosten aufzuerlegen. Dies folgt aus einer für alle Vertragstypen geltenden Gesamtanalogie zu § 645 Abs. 1 S. 1 BGB (Werkvertrag), § 615 BGB (Dienstvertrag), § 537 Abs. 1 BGB (Mietvertrag).
Der schlichte Wegfall des subjektiven Leistungsinteresses kann aber nicht genügen, um Unmöglichkeit anzunehmen ("Interessenfortfall"). Hier liegt also keine Unmöglichkeit im Sinne von § 275 Abs. 1 BGB vor. Soweit die Ursache für den Fortfall des Interesses nicht in der Sphäre einer Partei liegt, kann man aber an eine Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 Abs. 1 BGB) denken. Allerdings ist der individuelle Einsatzzweck grundsätzlich ein Risiko des Gläubigers, für das der Schuldner nicht einstehen muss.
X kauft sich ein Flugticket, um zu einem Konzert in London zu fahren. Das Konzert fällt aus. Die Erbringung des Fluges ist nicht wegen Zweckfortfall unmöglich. Die Verwendungsabsicht liegt allein in der Risikosphäre des X - es kann der Fluggesellschaft bzw. dem Reisebüro egal sein, warum X nach London fliegt. Daher liegt insoweit auch kein Fall einer Störung der Geschäftsgrundlage im Sinne von § 313 Abs. 1 BGB vor.