I. Wo müs­sen Leis­tungspflich­ten er­füllt wer­den?

3. Was gilt für Geld­schulden (§ 270 BGB)?

Nach § 270 Abs. 4 BGB gilt auch für Geld­schulden die Re­ge­lung des § 269 BGB. Da­mit wird auch in­so­weit ver­mu­tet, dass die Geld­schuld (wie jede an­dere Schuld) eine Hol­schuld ist und beim Schuld­ner zu er­brin­gen ist. Das be­deu­tet: Ei­gent­lich müsste man sich als Gläu­bi­ger das Geld ab­ho­len.

Ver­weist der Schuld­ner den Gläu­bi­ger dar­auf, er möge das Geld doch ab­ho­len, ver­letzt er aber seine Leis­tungspflicht und kommt in Ver­zug (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB) - denn er muss nach § 270 Abs. 1 BGB das Geld über­mit­teln. Da­mit ord­net das Ge­setz eine Schick­schuld an - der Ort der Leis­tungshand­lung (Zah­lung) und des Leis­tungser­folgs (Empfang) fal­len aus­ein­an­der.

Im Ver­gleich zu ei­ner nor­ma­len Schick­schuld mo­di­fi­ziert § 270 Abs. 1 BGB je­doch das Kos­ten- und Ver­lust­ri­siko: Die Über­mitt­lung er­folgt an­ders als bei der nor­ma­len Schick­schuld auf Kos­ten und Verant­wor­tung des Schuld­ners. Das be­deu­tet: Geht das Geld beim Trans­port ver­lo­ren, muss der Schuld­ner er­neut zah­len (es tritt we­der Un­mög­lich­keit, § 275 Abs. 1 BGB, noch Er­fül­lung, § 362 Abs. 1 BGB, ein). Aus die­sem Grunde wird die Geld­schuld über­wie­gend als "qua­li­fi­zierte" Schick­schuld be­zeich­net (die Qua­li­fi­ka­tion liegt in­so­weit in der von § 269 BGB ab­wei­chen­den Ri­si­ko­zu­wei­sung).

Al­ler­dings wird § 270 BGB noch wei­ter­ge­hend durch Eu­ro­pa­recht be­ein­flusst. Nach der Zah­lungs­ver­zugs­richt­li­nie ist für das Ende des Schuld­nerver­zugs (§ 286 Abs. 1 BGB) bei Bank­über­wei­sun­gen auf Ent­gelt­zah­lun­gen von Un­ter­neh­mern (§ 14 BGB) ge­gen an­dere Un­ter­neh­mer nicht nur die Ver­an­las­sung der Über­wei­sung, son­dern wei­ter­ge­hend die Gut­schrift des Geld­be­trags beim Emp­fän­ger maß­geb­lich. So­weit der Schuld­ner in die­sen Fäl­len auch das Ri­siko der Recht­zei­tig­keit trägt, han­delt es sich um eine echte Bring­schuld. Bei ei­ner Schick­schuld würde hin­ge­gen die recht­zei­tige Ab­sen­dung ge­nü­gen (da nur dies die maß­geb­li­che Leis­tungshand­lung ist). Au­ßer­halb der Zah­lungs­ver­zugs­richt­li­nie ge­nügt da­her nach um­strit­te­ner Auf­fas­sung be­reits die Ver­an­las­sung der Über­wei­sung; im Gel­tungs­be­reich muss das Geld wirk­lich an­kom­men.

In der Klau­sur sind Sie je­den­falls bei Über­wei­sun­gen zur Er­fül­lung von Ent­gelt­for­de­run­gen von Un­ter­neh­mern (§ 14 Abs. 1 BGB) an diese Aus­le­gung der Zah­lungs­ver­zugs­richt­li­nie (und der diese um­set­zen­den Re­ge­lung des § 270 Abs. 1 BGB) durch den EuGH ge­bun­den. Al­ler­dings setzt der Ver­zug auch ein Ver­tre­ten­müs­sen vor­aus (§ 286 Abs. 4 BGB) - d.h. man­gels ab­wei­chen­der Ver­ein­ba­rung Vor­satz oder Fahr­läs­sig­keit (§ 276 Abs. 1 BGB). Im Re­gel­fall ver­letzt man nicht die im Ver­kehr er­for­der­li­che Sorg­falt, wenn man auf ein recht­mä­ßi­ges Han­deln Dritter ver­traut. Nach § 675s Abs. 1 S. 1 BGB dür­fen Über­wei­sun­gen ma­xi­mal einen Ar­beits­tag in An­spruch neh­men. Auf die Ein­hal­tung die­ser Ver­pflich­tung der Bank darf der Ver­an­las­ser ei­ner Über­wei­sung ver­trau­en. Er han­delt da­her nicht fahr­läs­sig im Sinne von § 276 Abs. 1 BGB, wenn er diese Frist bei sei­ner Über­wei­sung ein­kal­ku­liert und mehr als einen Ar­beits­tag vor Fri­sta­blauf die Über­wei­sung ver­an­lasst. Da­mit liegt man­gels Ver­tre­ten­müs­sen (§ 286 Abs. 4 BGB) kein Ver­zug vor und es sind we­der Zin­sen (§ 288 Abs. 1 BGB) zu zah­len, noch sons­tige Ver­zugs­schä­den zu er­set­zen (§ 280 Abs. 1, Abs. 2 BGB iVm § 286 Abs. 1 BGB).
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