5. Kapitel: Erlöschen von Leistungspflichten
F. Welche weiteren Erlöschensgründe gibt es?
Das Zivilrecht kennt vier weitere Konstellationen, die zum Erlöschen von Leistungspflichten führen können:
- Nach § 397 Abs. 1 BGB können Schuldner und Gläubiger einen Vertrag über den Erlass der Forderung schließen. Bemerkenswert dabei ist vor allem, dass ein einseitiger Verzicht gerade nicht im Gesetz vorgesehen wurde. Der Erlassvertrag ist ein Verfügungsvertrag, der keiner Form bedarf und sogar konkludent vereinbart werden kann. Dieser Verfügung liegt in der Regel ein Verpflichtungsgeschäft (etwa eine Schenkung, § 516 BGB oder ein Vergleich, § 779 BGB) zugrunde, von dem der Erlass jedoch gedanklich zu trennen ist (Trennungsprinzip). Die Unwirksamkeit der Verpflichtung berührt daher die Wirkung des Verzichts nicht.
Die vorbehaltslose Rückzahlung einer Kaution trotz erkannter Mängel durch den Vermieter oder Verpächter kann als konkludenter Antrag auf Abschluss eines Erlassvertrags im Hinblick auf einen Schadensersatzanspruch gedeutet werden.
- Vom Verzicht nach § 397 Abs. 1 BGB unterscheidet das BGB das negative Schuldanerkenntnis (§ 397 Abs. 2 BGB). Auch dieses geschieht freilich durch einen Vertrag, d.h. es bedarf der Annahme durch den Schuldner. Inhalt des Vertrages ist, dass eine Forderung aus Sicht beider Parteien nicht besteht.
Wird eine Mietsache nach Vertragsbeendigung zurückgegeben (vgl. § 546 BGB) und wird im Rückgabeprotokoll vom Vermieter ausdrücklich bestätigt, dass die Mietsache mangelfrei zurückgegeben wurde, kann das als negatives Schuldanerkenntnis gesehen werden.
- Eine dritte Möglichkeit die Leistungspflichten zum Erlöschen zu bringen, ist der Abschluss eines Aufhebungsvertrages (§ 311 Abs. 1 BGB). Dieser kann (wie eine einseitige Kündigung) nur mit Wirkung für die Zukunft geschlossen werden, aber auch (wie ein einseitiger Rücktritt) eine Rückabwicklung bereits erbrachter Leistungen enthalten. Anders als der Verzicht betrifft die Aufhebung nicht nur einzelne Leistungspflichten, sondern das Schuldverhältnis insgesamt.
Aufhebungsverträge werden häufiger zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geschlossen, um das Arbeitsverhältnis (§ 611a BGB) zu einem näher bestimmten Zeitpunkt zu beenden. Das kann beispielsweise in Fällen Sinn ergeben, in denen ein befristeter Vertrag vorliegt, der nicht durch eine ordentliche Kündigung (vgl. § 620 BGB) beseitigt werden kann.
- Schließlich erlischt eine Leistungspflicht dann, wenn der Schuldner den Anspruch erwirbt (sog. "Konfusion"). Dies kann etwa durch Abtretung (§ 398 BGB) oder durch Erbfall (§ 1922 BGB) geschehen. Gibt es freilich noch andere Schuldner, besteht der Anspruch gegen diese fort (§ 425 BGB), während bei Gesamtgläubigerschaft der Anspruch gegen alle erlischt (§ 429 BGB).
Erblasser E hat seinem einzigen Sohn S vor seinem Tode ein Darlehen (§ 488 BGB) eingeräumt. Stirb nun E, bevor sein Alleinerbe S das Darlehen zurückzahlen konnte, erwirbt er den Rückzahlungsanspruch (§ 488 Abs. 1 S. 2 BGB iVm § 1922 BGB) gegen sich selbst. Die Forderung erlischt durch Konfusion.