bb. Sind Schen­kun­gen im­mer le­dig­lich recht­lich vor­teil­haft?

(2) Was be­deu­tet die "Ge­samt­be­trach­tungs­leh­re"?

Bei der Ge­samt­be­trach­tung wer­den die Fol­gen des Ver­fü­gungs­ge­schäfts be­reits bei der Be­ur­tei­lung des zu­grun­de­lie­gen­den Ver­pflich­tungs­ge­schäfts be­rück­sich­tigt. Das be­deu­tet: Wenn durch das als Er­fül­lung ab­zu­schlie­ßende Ver­fü­gungs­ge­schäft Pf­lich­ten des Min­der­jäh­ri­gen be­grün­det wer­den, soll be­reits das zu­grun­de­lie­gende Ver­pflich­tungs­ge­schäft - un­ter Durch­bre­chung des Abstrak­ti­ons­prin­zips - un­wirk­sam sein.

Wenn die El­tern M und V ih­rem Sohn eine Ei­gen­tumswoh­nung schen­ken, er­langt die­ser un­mit­tel­bar nur einen recht­li­chen Vor­teil, näm­lich einen An­spruch auf die Auf­las­sung der Woh­nung. Die Er­fül­lung die­ses An­spruchs, d.h. die Auf­las­sung führt je­doch zu Nach­tei­len: Der Min­der­jäh­rige muss etwa ein Haus­geld (§ 16 Abs. 2 WEG) zah­len.

Nach der Ge­samt­be­trach­tungs­lehre wer­den nun die Nach­teile aus der Er­fül­lung (die Pf­licht zur Zah­lung von Haus­geld) be­reits bei der Be­ur­tei­lung des Schen­kungs­ver­tra­ges be­rück­sich­tigt. Weil die Schen­kung mit­tel­bar zur Haus­geld­pflicht führt, ist be­reits die­ses Rechts­ge­schäft un­wirk­sam.

Dies gilt aber nur für den Fall, dass das Ver­pflich­tungs­ge­schäft le­dig­lich recht­lich vor­teil­haft, das Ver­fü­gungs­ge­schäft je­doch mit Nach­tei­len ver­bun­den ist. Der um­ge­kehrte Fall, dass das Ver­fü­gungs­ge­schäft al­lein einen Vor­teil bringt, je­doch mit ei­ner nach­tei­li­gen Ver­pflich­tung ver­bun­den ist, steht nach dem BGH der Wirk­sam­keit des Ver­fü­gungs­ge­schäfts nicht ent­ge­gen.

V schließt mit dem 14-jäh­ri­gen K einen no­ta­ri­ell be­ur­kun­de­ten Schen­kungs­ver­trag (§ 516 BGB) im Hin­blick auf ein Grund­stück, in dem sich K als Auf­lage (§ 525 BGB) ver­pflich­tet, dem V ein le­bens­lan­ges Wohn­recht (§ 1903 BGB) ein­zuräu­men. Gleich­zei­tig wird beim No­tar die Auf­las­sung des Grund­stücks (§ 925 BGB, § 873 BGB) be­ur­kun­det. Hier ist der Schen­kungs­ver­trag we­gen der Ver­pflich­tung zur Ein­räu­mung des Wohn­rech­tes nicht le­dig­lich recht­lich vor­teil­haft (§ 107 BGB) und da­her zu­min­dest schwe­bend un­wirk­sam. Die ding­li­che Ei­ni­gung (§ 873 BGB, § 925 BGB) ist hin­ge­gen für K le­dig­lich recht­lich vor­teil­haft und des­halb wirk­sam - das nach­teil­hafte Grund­ge­schäft wird nicht be­rück­sich­tigt.

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