II. Was ist bei "ei­ge­ner Wil­lens­er­klä­rung" zu er­ör­tern?

1. Wel­che Un­ter­schiede be­ste­hen zwi­schen Stell­ver­tre­tung und Botenschaft?

Die Fra­ge, ob Stell­ver­tre­tung oder Botenschaft vor­liegt, hat ent­schei­dende Be­deu­tung für Ihre Klau­sur­lö­sung:

  • Ein Bote muss nicht ge­schäfts­fä­hig sein. Er han­delt wie eine Ma­schine und gibt nur eine fremde Er­klä­rung wei­ter. Da­her gilt: "Ist das Kind­chen noch so klein, kann es doch schon Bote sein". Ein Stell­ver­tre­ter gibt eine ei­gene Wil­lens­er­klä­rung ab und muss da­her grund­sätz­lich ge­schäfts­fä­hig sein (§ 105 Abs. 1 BGB). Eine Er­wei­te­rung nimmt aber § 165 BGB vor: Da­nach kön­nen auch be­schränkt Ge­schäfts­fä­hige un­ein­ge­schränkt als Ver­tre­ter auf­tre­ten - das ist kon­se­quent, denn die Ver­tre­tung ist für den Min­der­jäh­ri­gen recht­lich neu­tral - ihm droht we­gen § 179 Abs. 3 S. 2 BGB auch keine Haf­tung.
  • Weil der Bote eine fremde Er­klä­rung über­mit­telt, muss diese Er­klä­rung auch et­waige For­mer­for­der­nisse er­fül­len, sonst ist sie nach § 125 S. 1 BGB nich­tig. Die zur Be­grün­dung der Ver­tre­tungs­macht er­for­der­li­che Voll­macht be­darf hin­ge­gen nach dem Ge­setz aus­drück­lich kei­ner Form (§ 167 Abs. 2 BGB), selbst wenn sie ganz kon­krete Wei­sun­gen ent­hält. Erst die Er­klä­rung des Stell­ver­tre­ters muss die rich­tige Form auf­wei­sen.
  • Der Ver­tre­tene kann das für ihn vor­ge­nom­mene Rechts­ge­schäft we­gen Fehl­vor­stel­lun­gen des Ver­tre­ters an­fech­ten (§ 166 Abs. 1 BGB). Die Vor­stel­lun­gen des Boten sind hin­ge­gen recht­lich ohne jede Be­deu­tung: Er soll ja oh­ne­hin nicht selbst nach­den­ken und ent­schei­den, son­dern gibt nur eine frem­de, be­reits vom Auf­trag­ge­ber voll­stän­dig aus­ge­stal­te­te, Wil­lens­er­klä­rung wei­ter.
  • Über­mit­telt der Bote et­was an­de­res als die ihm auf­ge­tra­gene Wil­lens­er­klä­rung, wird der Auf­trag­ge­ber trotz­dem so be­han­delt als sei die Wil­lens­er­klä­rung so von ihm ab­ge­ge­ben wor­den. Er kann nur nach § 120 BGB, § 142 BGB die An­fech­tung er­klä­ren (sog. Über­mitt­lungs­feh­ler - ein Irr­tum liegt da­bei nicht vor). Nur bei be­wuss­tem Über­schrei­ten der Botenstel­lung wird eine Wir­kung zu Las­ten des Auf­trag­ge­bers nach h.M. ab­ge­lehnt und statt­des­sen eine Ge­neh­mi­gung (ana­log § 177 Abs. 1 BGB) er­mög­licht; bei de­ren Feh­len haf­tet der "Bote ohne Botenmacht" ana­log § 179 BGB (dazu noch spä­ter).
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