3. Wie arbeite ich mit dem Gesetz?
c. Wie prüfe ich eine Analogie bzw. teleologische Reduktion?
Aufgrund der Grenzen der Vorstellung des Gesetzgebers (der nicht mit allem Unerwarteten rechnen kann) und der Ungenauigkeit der Sprache können Normen zu weit oder zu eng gefasst sein. Solche Probleme werden bei der Rechtsanwendung durch die Analogie und die teleologische Reduktion korrigiert:
- Eine Analogie setzt (1) eine planwidrige Regelungslücke und (2) eine vergleichbare Interessenlage voraus. Eine Regelungslücke besteht immer dann, wenn das Gesetz den Fall selbst bei weitester Auslegung aller Normen nicht erfasst. Sie ist planwidrig, wenn der Gesetzgeber den Fall nicht bedacht hat. Dabei ist der ursprüngliche Schöpfer der Norm (also teilweise im Jahr 1900) maßgeblich. Aus dem Schweigen späterer Parlamente kann man nur etwas entnehmen, wenn diese sich mit der konkreten Norm überhaupt befasst haben. Eine vergleichbare Interessenlage ist durch Wertung zu ermitteln. Dabei ist zu prüfen, ob das fehlende Tatbestandsmerkmal der gesetzlichen Regelung durch eine nach Sinn und Zweck der Norm gleichwertige Tatsache ersetzt wird. Zu beachten ist hierbei, dass Ausnahmeregelungen nicht analogiefähig sind ("Singularia non sunt extendenda").
Das BGB regelt Ansprüche auf die Unterlassung eines bestimmten Verhaltens nur sehr fragmentarisch - neben dem Missbrauch des Namens (§ 12 BGB) existieren nur Regelungen für die Störung des Besitzes (§ 862 BGB) oder des Eigentums (§ 1004 S. 1 BGB). Für andere Rechte (insb. das durch Art. 2 Abs. 1 GG iVm Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistete Allgemeine Persönlichkeitsrecht) gibt es hingegen zwar einen allgemeinen Schadensersatzanspruch in § 823 Abs. 1 BGB (der ausdrücklich auch für ein "sonstiges Recht" gilt) - aber eben keinen ausdrücklichen Anspruch, weitere Verletzungen zu verhindern. Diese Regelungslücke ist planwidrig - denn der Gesetzgeber des 19. Jahrhunderts dachte noch sehr "physisch" und eben nur an das Eigentum an Sachen. Die in den gesetzlichen Regelungen vorgesehenen Voraussetzungen für Unterlassungsansprüche sind zudem nicht spezifisch auf Besonderheiten des Eigentums gerichtet - die sind daher "vergleichbar". Daher wird § 1004 S. 1 BGB (in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB) für alle absoluten Rechte "analog" herangezogen, für die kein besonderer Unterlassungsanspruch geregelt ist (also insbesondere nicht für den Besitz und nicht für den Namen).
- Eine teleologische Reduktion soll genau umgekehrt eine Norm mit zu weit gehendem Wortlaut auf das eigentlich Gewollte reduzieren. Das bedeutet, dass sich der von Ihnen ermittelte Sinn und Zweck gegen den Wortlaut durchsetzt. Dabei ist äußerste Vorsicht angebracht - denn der Richter (und damit auch Sie als Bearbeiter einer Klausur) ist an Recht und Gesetz gebunden (Art. 20 Abs. 3 GG). Er kann also nicht einfach seinen Willen an die Stelle des Parlaments setzen.
§ 164 Abs. 1 S. 1 BGB setzt für eine wirksame Stellvertretung voraus, dass man "im Namen" des Vertretenen handelt (was sich auch aus den Umständen ergeben kann, § 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Bei Kleinstgeschäften des täglichen Lebens interessiert den Verkäufer aber oftmals gar nicht, wer letztlich Käufer ist und die Sache bekommt, solange er sein Geld bekommt. Dann wäre es eine unnötige Förmelei, wenn z.B. der Kunde an der Kasse des Supermarktes erklären müsste, dass er für seine Freundin, seine Ehefrau, seine Mutter oder seinen Nachbarn einkauft. Der Gesetzgeber des 19. Jahrhunderts hat (schon weil Selbstbedienungsgeschäfte damals unüblich waren) dieses Problem nicht erkannt und so eine zu weitgehende Regelung geschaffen. Daher hat die Rechtsprechung das "verdeckte Geschäft für den, den es angeht" entwickelt - dabei entfällt die Voraussetzung des Handelns in fremdem Namen völlig - es genügt die bloße Vertretungsmacht.