a. Wel­che An­fech­tungsgründe re­gelt § 119 BGB ?

dd. Was gilt bei ab­re­de­wid­ri­ger Ver­voll­stän­di­gung ei­nes Blan­ketts?

Es kommt ge­le­gent­lich vor, dass je­mand ein For­mu­lar oder gar eine kom­plett leere Seite (sog. "Blan­ket­t") un­ter­schreibt und je­mand an­de­rem die Er­gän­zung der feh­len­den An­ga­ben über­lässt.

Va­ter V möch­te, dass sein Sohn S eine Woh­nung am Stu­dien­ort mie­ten kann. Da­mit dies schnell und un­pro­ble­ma­tisch klappt, un­ter­schreibt er be­reits ein mit "Bürg­schafts­er­klä­rung" über­schrie­be­nes For­mu­lar. Sein Sohn muss nur noch den Ver­mie­ter und die Höhe der Miete er­gän­zen. Da­mit liegt ein "Blan­kett" vor.

Bei Er­tei­lung ei­nes sol­chen Blan­ketts wird in al­ler Re­gel eine Ab­spra­che über die Ver­voll­stän­di­gung ge­trof­fen. So soll etwa S im obi­gen Bei­spiel wirk­lich nur sei­nen Ver­mie­ter und die Höhe der Miete und keine an­de­ren Per­so­nen oder Ver­bind­lich­kei­ten ein­tra­gen. So­lange sich der In­ha­ber des Blan­ketts an diese Ab­rede hält, ent­ste­hen keine Pro­bleme und der Aus­s­tel­ler haf­tet, als ob er die Ur­kunde selbst­stän­dig aus­ge­füllt hät­te.

Pro­ble­ma­tisch ist hin­ge­gen der Fall, in dem sich der In­ha­ber des Blan­ketts nicht an die Ab­rede hält und es statt­des­sen ab­re­de­wid­rig ver­voll­stän­digt.

  • Hat der­je­ni­ge, dem ge­gen­über die Er­klä­rung ab­zu­ge­ben war, das ihm ge­gen­über gül­tige Blan­kett selbst aus­ge­füllt (etwa wenn S dem Ver­mie­ter das Blan­ko­for­mu­lar gibt und die­ser selbst Ein­tra­gun­gen vor­nimm­t), er­gibt schon die Aus­le­gung der schrift­li­chen Er­klä­rung im Kon­text der münd­li­chen Ab­ma­chun­gen nach § 133 BGB, § 157 BGB, dass die Er­klä­rung nur den ver­ein­bar­ten In­halt hat und kei­nes­falls den­je­ni­gen, der sich schein­bar aus dem Do­ku­ment er­gibt. Im Rah­men von § 157 BGB ist näm­lich auch das Son­der­wis­sen des Er­klä­rungs­emp­fän­gers (hier über seine ab­spra­che­wid­rige Nut­zung des For­mu­lars) zu be­rück­sich­ti­gen. Eine An­fech­tung ist in die­sem Fall über­flüs­sig.
  • Wird das Blan­kett da­ge­gen ge­gen­über ei­nem Dritten be­nutzt (etwa wenn S das For­mu­lar aus­füllt und ge­gen­über sei­nem Ver­mie­ter nutz­t), der nichts von der ab­spra­che­wid­ri­gen Er­gän­zung wuss­te, ist die­ser grund­sätz­lich in sei­nem Ver­trauen auf das in der Ur­kunde Er­klärte zu schüt­zen. Um­strit­ten ist, wie die­ser Schutz be­wirkt wird:

Frü­her wurde die Er­klä­rung auf dem Blan­kett als wirk­sam an­ge­se­hen, aber dem Aus­s­tel­ler die Mög­lich­keit zur An­fech­tung (§ 142 Abs. 1 BGB) we­gen In­halt­sirr­tums (§ 119 Abs. 1, 1. Var. BGB) ein­ge­räumt.

  • Der Blan­kett­ge­ber (Aus­s­tel­ler) wollte eine Er­klä­rung die­ses In­halts nicht ab­ge­ben und un­ter­liegt da­mit ei­nem In­halt­sirr­tum iSd. § 119 Abs. 1 1. Var. BGB.

Heute wird diese An­fech­tungsmög­lich­keit je­doch über­wie­gend ver­neint. Wer ein Blan­kett mit sei­ner Un­ter­schrift in Kennt­nis der Un­voll­stän­dig­keit in den Rechts­ver­kehr ent­lässt, muss den da­durch ge­schaf­fe­nen Rechts­schein ana­log § 172 Abs. 2 BGB ei­nem gut­gläu­bi­gen Dritten ge­gen­über ge­gen sich gel­ten las­sen. Ana­log § 164 Abs. 1 S. 1 BGB wirkt in die­sem Fall die Er­klä­rung des­je­ni­gen, der das For­mu­lar aus­ge­füllt hat, für und ge­gen den­je­ni­gen, der es in Ver­kehr ge­bracht hat.

  • Zwar liegt kein Han­deln in frem­dem Na­men im Sinne von § 164 Abs. 1 S. 1 BGB vor. Je­doch fehlt eine an­der­wei­tige Re­ge­lung zum Ver­kehrs­schutz, was dem sons­ti­gen Sys­tem des BGB wi­der­spricht und da­her plan­wid­rig ist. Die In­ter­es­sen­lage ist ver­gleich­bar zur Stell­ver­tre­tung: Wie bei ei­ner Voll­macht (§ 166 Abs. 2 BGB) räumt der­je­ni­ge, der einen an­de­ren eine Blan­ko­er­klä­rung aus­fül­len lässt, die­sem prak­tisch die Mög­lich­keit ein, mit Wir­kung für und ge­gen ihn zu han­deln.
  • Der Aus­s­tel­ler des Blan­ketts wird zu­dem durch die ana­loge An­wen­dung von § 173 BGB ge­schützt, die not­wen­dig mit der Ana­lo­gie zu § 172 Abs. 2 BGB ein­her­geht: War dem Emp­fän­ger das ab­re­de­wid­rige Aus­fül­len be­kannt oder hätte er es bei An­wen­dung der im Ver­kehr er­for­der­li­chen Sorg­falt be­mer­ken müs­sen, ent­fällt die Wir­kung zu­guns­ten und zu­las­ten des Aus­s­tel­lers.
  • Dem­ge­gen­über ist eine An­fech­tung aus­ge­schlos­sen - der Aus­s­tel­ler des Blan­ketts wird also (so­fern kein Fall von § 173 BGB vor­liegt) trotz ab­spra­che­wid­ri­gen Aus­fül­lens un­mit­tel­bar be­rech­tigt und ver­pflich­tet.

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