6. Welche Gründe berechtigen zur Anfechtung?
f. Kann man ein "Schweigen" anfechten?
Unter bestimmten Umständen kann auch Schweigen eine rechtliche Folge auslösen; z.B. beim kaufmännischen Bestätigungsschreiben, im Rahmen des Schenkungsvertrags (§ 516 Abs. 2 BGB) oder bei vorheriger Vereinbarung. In diesem Fall hat das Schweigen die Wirkung einer Willenserklärung, so dass man an eine Heranziehung von § 119 BGB, § 123 BGB denken kann. Sie müssen insoweit unterscheiden, welcher Art des Irrtums der Schweigende unterliegt:
- Eine Anfechtung wegen Erklärungsirrtums (§ 119 Abs. 1, 1. Var. BGB) dergestalt, dass der Erklärende nicht wusste, dass sein Schweigen eine rechtliche Konsequenz (sog. Rechtsfolgeirrtum) haben würde, scheidet aus. Da das Schweigen nur zu einer Fiktion einer Willenserklärung führt, tritt die Rechtsfolge nämlich gerade unabhängig vom Erklärungsbewusstsein, d.h. vom Willen des Schweigenden ein.
- Eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder Drohung (§ 123 BGB) ist demgegenüber selbstverständlich möglich. Der Schweigende darf nicht schlechter gestellt sein als derjenige, der den Vertragsschluss durch ausdrückliche Erklärung herbeigeführt hat. Allerdings greift regelmäßig schon die Fiktion, dass Schweigen eine Annahme ist, nicht, wenn der Adressat des Schweigens unredlich gehandelt hat - so dass es auf § 123 BGB i.d.R. nicht ankommt.
- Einzig problematisch ist der Fall des Inhaltsirrtums (§ 119 Abs. 1, 2. Var. BGB). Hier müssen Sie differenzieren:
- Bezieht sich der Irrtum gerade auf die rechtliche Bedeutung des Schweigens (sog. Rechtsfolgenirrtum), ist eine Anfechtung wegen dieser Fehlvorstellung ausgeschlossen.
Man kann das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben oder die Annahme nach § 362 Abs. 1 HGB bzw. nach § 516 Abs. 2 S. 2 BGB nicht nach § 119 Abs. 1, 2. Var BGB mit der Begründung anfechten, man habe nicht gewusst, dass Schweigen hier eine rechtliche Bedeutung habe.
- Betrifft der Irrtum sonstige Umstände, ist eine Anfechtung grds. möglich. Auch hiervon wird aber eine Ausnahme gemacht: Gilt das Schweigen als Ablehnung, kann man nicht durch Anfechtung den bereits beendeten Schwebezustand wiederherstellen.
Eine Anfechtung einer Annahme durch Schweigen nach § 362 Abs. 1 HGB ist möglich, wenn der Antrag falsch verstanden wurde (A denkt, B wolle ein Einfamilienhaus entrümpelt haben - tatsächlich meint B aber eine riesige Fabrikhalle). Nach Ablauf der Frist des § 108 Abs. 2 BGB kann der gesetzliche Vertreter nicht sein Schweigen anfechten und den von einem Minderjährigen geschlossenen Vertrag so doch noch wirksam werden lassen.
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