1. Worüber entscheidet die Hauptversammlung?
d. Ungeschriebene Kompetenz beim Beteiligungserwerb?
Problematisch ist das Vorliegen einer ungeschriebenen Hauptversammlungskompetenz, wenn eine Beteiligung durch den Vorstand erworben wird, die einen Umfang von 75% des Gewinns der AG erreicht. Ein solcher Fall lag dem OLG Frankfurt 2010 vor. Dort ging es um den Fall des Erwerbs der Dresdner Bank durch die Commerzbank. Das OLG Frankfurt hatte nun die Frage zu beantworten, ob ein Beteiligungserwerb ebenfalls eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz auslösen kann.
Dabei argumentierte es folgendermaßen: wenngleich auch beim Beteiligungserwerb ein Mediatisierungseffekt auftreten kann, so ist dieser jedoch nicht vergleichbar mit demjenigen, über welchen der BGH in den Fällen Holzmüller und Gelatine zu entscheiden hatte. Dort ging es um bereits zum Geschäftsbetrieb der AG gehörende Teile, welche auf eine Tochter- bzw. Enkelgesellschaft übertragen werden sollten. Damit wurden die Vermögensrechte der Aktionäre an bereits bestehenden Beteiligungsunternehmen der Gesellschaft vermindert. Bei dem Erwerb einer Beteiligung mit Barmitteln sei dies jedoch nicht der Fall. Nur wenn der Erwerb der neuen Beteiligung durch Veräußerung eines entsprechend hohen Teils des operativen Geschäfts geschehe, sei eine ungeschriebene Hauptversammlungskompetenz möglich. Ansonsten handelt es sich um eine dem Vorstand obliegende Geschäftsführungsmaßnahme, auf welche die Hauptversammlung keinen Einfluss hat.
Dem kann jedoch entgegengehalten werden, dass auch beim Erwerb einer Beteiligung ausschüttungsfähiger Gewinn auf verschiedenen Konzernebenen in Rücklagen eingestellt werden kann und somit dem Zugriff der Aktionäre entzogen wird. Bei entsprechender Argumentation ist in der Klausur beides vertretbar.